ein Projekt der
Stadt Bielefeld

Die Bielefelder Altstadt soll attraktiver und lebenswerter werden. Wo früher Autos parkten, ist seit einigen Monaten Platz für Außengastronomie. Eine Testphase – auch für die anliegenden Gastronomen – , die mit ihrer Außengastronomie in der Ritterstraße den neuen Raum füllen. Im Gespräch: Olaf Klötzer, Klötzer‘s Restaurant, und Jonas Vorbohle, dean&david.

 

Herr Klötzer, Herr Vorbohle, ist das eine aus Ihrer Sicht längst überfällige Idee?
Olaf Klötzer: Es braucht neue Ideen und Konzepte – auch vor dem Hintergrund der Klimakrise. Und natürlich ist auch allen Kaufleuten, Gewerbetreibenden und Dienstleistern bewusst, dass es weniger Individualverkehr geben muss. Daraus darf jedoch kein ideologischer Kampf gegen das Auto werden.
Jonas Vorbohle: Auf jeden Fall! Vor allem, wenn ich mir den Jahnplatz-Umbau ansehe. Auch hier wäre es aus meiner Sicht sinnvoll gewesen, im Vorfeld Ideen zu sammeln, wie man ihn zu einem lebenswerten Platz mit Aufenthaltsqualität umgestaltet. Leider ist dies nicht geschehen und so mangelt es hier u.a. an ausreichend Platz für die anliegende Außengastronomie. Hätte es auch hier eine Testphase bzw. eine längerfristig angelegte Planung gegeben, wäre dies sicher nicht passiert. Vielmehr hätte man daraus lernen können.
Olaf Klötzer: Genau, so ist es. Der Jahnplatz bleibt auch nach dem Umbau ein Verkehrsknotenpunkt.

Die Verkehrsberuhigung der Altstadt bietet Chancen, vorhandene Plätze und Straßen neu und anders zu nutzen. Was funktioniert gut?
Olaf Klötzer: Die Verkehrsberuhigung in der Ritterstraße ist ein Erfolgsmodell. Vor allem hat sich gezeigt, dass dort, wo privatwirtschaftliche Initiativen greifen, auch etwas passiert. Es braucht Menschen, die dahinterstehen, um die Aufenthaltsqualität herzustellen.
Jonas Vorbohle: Durch das Projekt altstadt.raum arbeiten wir – zum einen über die Kaufmannschaft Altstadt – aber auch mit anliegenden Gastronomiebetrieben, wie Le Feu oder dem Dreieck, enger zusammen. Daraus hat sich eine gemeinschaftliche Dynamik entwickelt. Gemeinsam sind wir stark – das ist eine tolle Erfahrung, da wir alle sehr umtriebig sind. Und natürlich kam der Startschuss für die Außengastronomie in der Ritterstraße gerade in diesem Jahr für uns zum passenden Zeitpunkt.

Was klappt nicht?
Olaf Klötzer: Akzeptanz und Überzeugung für Neues entsteht nur dann, wenn eine alternative Nutzung für die Bielefelder*innen erkennbar ist. So, wie hier in der Ritterstraße, wo durch die Ausweitung der Außengastronomie ein neues attraktives Angebot geschaffen wurde. Anders sieht es zum Beispiel in der Hagenbruchstraße aus, wo nur Parkplätze entfernt wurden oder auch am Waldhof. Die Frage, wie der Mehrwert aussieht, ist ganz entscheidend.
Jonas Vorbohle: Im Sommer ist die verkehrsberuhigte Ritterstraße ein tolles Projekt. Aber, was heißt das im Winter? Dann sieht es hier trostlos aus. Daraus ergibt sich gleich eine Fragestellung: Wo sind die Konzepte für den Winter?
Olaf Klötzer: Das ist ein wichtiger Aspekt, um langfristig die Akzeptanz für die alternative Nutzung zu schaffen und zu sichern. Fakt ist: Wir gehen unvorbereitet in den Winter hinein, dann hat niemand Verständnis dafür, dass hier nichts mehr los ist. Und: Parallelmaßnahmen, wie die Sanierung des Jahnplatzes und die Verkehrsberuhigung der Altstadt, halte ich für schwierig.

Was bräuchte es noch aus Ihrer Sicht?
Olaf Klötzer: Da fallen mir gleich mehrere Dinge ein. Nur Blumenkübel sind keine Lösung. Die stillgelegten Flächen müssen attraktiv und sinnvoll genutzt werden. Denn, wenn ich etwas wegnehme, muss ich auch etwas geben. So bräuchte es eine bessere Implementierung von Taxen, um Arztpraxen zu erreichen, ein passendes Parkleit-System und auch in Sachen ÖPNV bedarf es einer Lösung, um dem nachweislichen Frequenzverlust, der in der Altstadt in Gesamtheit festzustellen ist, entgegenzuwirken. Auch über einen städtisch finanzierten Shuttle-Service könnte man nachdenken. Eine gute Erreichbarkeit ist wesentlich für Handel, Dienstleistung und Gewerbe in der Altstadt.
Jonas Vorbohle: Wer mit dem Auto in die Stadt kommt, braucht Parkplätze oder muss auf ausreichend Park & Ride Möglichkeiten zurückgreifen können. Denn es ist eine Illusion, dass jeder mit dem Rad in die Stadt kommt und per Rad alles erledigt. Denn schon jetzt merken wir, dass die Leute für die schnellen alltäglichen Erledigungen aufgrund der Verkehrssituation woanders nach Alternativen suchen. Das geht zu unseren Lasten.
Olaf Klötzer: Denkbar sind auch temporäre Konzepte. Für die Ritterstraße könnte das zum Beispiel eine saisonale Lösung sein: Im Sommer verkehrsberuhigt und mit Außengastronomie, im Winter jedoch für E-Autos freigegeben.

Wie ist die Resonanz Ihrer Kund*innen/ Besucher*innen?
Jonas Vorbohle: Sehr gut, gerade in diesem Jahr ist die Außengastronomie stark gefragt, um nach dem Lockdown wieder mit dem normalen Leben anzufangen.
Olaf Klötzer: Das stimmt. Unsere 34 Plätze in der Außengastronomie haben die Kunden gut angenommen und empfinden sie als gelungen. Wir hatten in der Vergangenheit schon einmal direkt vor dem Geschäft in der Fußgängerzone einige Plätze, aber die Ritterstraße eignet sich als Seitenstraße viel besser.

Am 9. November 1953 wurde in Kassel mit der „Treppenstraße“ die erste Fußgängerzone Deutschlands eröffnet. Heute gehören Fußgängerzonen unangefochten zum städtebaulichen Konzept. Mit Blick auf das Projekt altstadt.raum: Sollte man Neuerungen gelassener entgegenblicken?
Olaf Klötzer: Man sollte Neuerungen immer Raum geben, aber auch das Risiko im Blick behalten. Das heißt für das Bielefelder Projekt: Konzept, Konsens und Zusammenspiel sollten wesentliche Bausteine für das Projekt altstadt.raum sein. Es gilt alle Akteure mitzunehmen. Dafür muss man sie an einen Tisch holen und produktive Diskussionen führen. So, wie bei der Sanierung der Altstadt als wir mithilfe einer Lenkungsgruppe zu einem guten Ergebnis gelangt sind. Wir sperren uns nicht gegen Kompromisse.
Jonas Vorbohle: Zukunftsorientiert zu denken, ist nie ein Fehler, aber bitte mit Konzept. Es braucht Ideen, die gemeinsam mit allen Akteuren der Innenstadt besprochen werden.

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Abteilung Mobilitätsplanung

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Olaf Lewald
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